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Stöckchenverletzung 

Es muss nicht immer der Keiler gewesen sein

Was niedlich klingt, kann auch durch die Hand des Hundeführers schnell lebensbedrohlich werden. Warum – dazu später mehr.

Klassisch ist mit dem Begriff Stöckchenverletzung eigentlich das Eindringen eines Stockes, meistens im Maulbereich des Hundes, während des Spielens gemeint. Meist schreit der Hund mitten im Spiel auf und reibt sich im Anschluss immer wieder mit den Pfoten das Maul, das passiert auch gerne, wenn sie sich im Ober- oder Unterkiefer ein Holzstück quer zwischen die Zähne geklemmt haben. Die kleinen Mistdinger sind recht einfach zu entfernen. Gemein wird es, wenn der Stock nicht quer im Maul verklemmt ist, sondern sich längs unter oder neben der Zunge oder gar im Rachen eingespießt hat. Gerade die Zunge ist ein sehr gut durchblutetes Organ und wird von großen Blutgefäßen durchzogen. Wenn Euch und Eurem Hund so etwas passiert, dann solltet ihr direkt zum Tierarzt fahren, um das Holzstückchen sicher entfernen zu lassen. Solche Verletzungen sind recht leicht zu vermeiden, indem man die Hunde nicht mit Stöckchen spielen lässt (sicherste Methode) oder ihnen beibringt, einen Stock immer nur quer im Maul zu tragen und „nicht wie einen Lolli“ (unsichere Methode - dieses Kommando funktioniert bei meinem Hund jetzt aber seit 10 Jahren unfallfrei).

Während sich also solche spielbedingten Stöckchenverletzungen recht gut vermeiden lassen, sieht das bei unseren arbeitenden Jagdhunden anders aus. Beim Einsatz im Wald hält den Vierläufer nichts mehr auf. Auch kein abgebrochener Ast oder Stock der ungünstig um Unterholz hervorsteht. Dringt so ein Ast in den Hundekörper ein, sprechen wir von einer Pfählungsverletzung – das klingt dann gar nicht mehr so niedlich. Ist es auch nicht.  

Durchspießt ein Ast die Bauchdecke, so können neben den Gefäßen auch die inneren Organe verletzt werden. Dabei ist eine Milzverletzung durch den Blutverlust schneller tödlich, als eine Verletzung der Blase. Aber auch Verletzungen der Nieren, der Leber und natürlich der großen Körpergefäße können bei einer Verletzung durch den Blutverlust schnell sehr kritisch werden.  

Durchspießt der Ast die Brusthöhle, so haben wir es mit Verletzungen der Lunge oder des Herzens zu tun. Im Falle der Lunge ist nicht nur mit Problemen durch Blutverlust zu rechnen, sondern das komplexe Atemsystem das mit seiner Mechanik nur funktioniert wenn der Brustkorb geschlossen, also unversehrt ist, wird lahm gelegt und somit droht der Hund zu Ersticken.  

Was ist also im Fall der Fälle zu tun? 

Die allerwichtigste Regel ist: NIEMALS den Ast entfernen!!! Man kann nie wissen, ob das kleine Stück Holz was noch raus schaut nicht in Wirklichkeit ein 30 cm langer Ast ist der auf seinem Weg durch den Hundekörper diverse Organe und Blutgefäße durchstoßen hat. Darüber hinaus ist der Ast eventuell das Einzige, was die Verletzung verschließt und somit ein Verbluten oder Ersticken verhindert. 

Hat Euer Hund also eine Pfählungsverletzung erlitten, macht euch auf dem schnellsten Weg auf zu Eurem Tierarzt.  

Auch ich ziehe solche Äste beim Einsatz auf Drückjagden nicht einfach heraus. Von mir wird der Ast gegen Bewegungen gesichert und der Hund wird stabilisiert und transportfähig gemacht. Hierfür lege ich je nach schwere der Verletzung 1 oder 2 Venenkatheter und behandele mit Infusionen gegen den Schock und Blutverlust an. Zusätzlich erhält der Patient noch ein starkes Schmerzmittel. Mit bildgebenden Verfahren kann dann das Ausmaß der Verletzungen und die tatsächliche Lage des Astes beurteilt werden. Dann wird der Ast in Vollnarkose operativ entfernt und die Verletzungen fachgerecht chirurgisch versorgt.  

Zur Nachsorge gehört eine Behandlung mit Antibiotika und Schmerzmittel. Auch regelmäßige Verbandwechsel stehen auf dem Programm. Häufig muss man das tiefe Loch von Innen heraus selber zuheilen lassen (unter regelmäßiger Kontrolle), dies kann mehrere Wochen dauern.